Projektabschluss: Altersdiskriminierung bei der Kreditvergabe

In diesem Forschungsprojekt, gefördert durch eine Zuwendung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, ging es um das bekannte Problem, dass der Zugang zu Kredit für ältere Menschen erschwert ist. Altersbedingte Benachteiligung bei der Kreditvergabe bedeutet für ältere Menschen, dass die gesellschaftliche Teilhabe sowie die Möglichkeit der Risikobewältigung mittels Kreditaufnahme zumindest eingeschränkt ist. Dies hat einen unmittelbaren Anstieg der Verwundbarkeit dieser Personen zur Folge; mittelbar werden dadurch zudem soziale Kosten erzeugt, da durch Benachteiligungen beim Kreditzugang die persönliche Lebensentwicklung bzw. -absicherung ungerechtfertigt eingeengt wird. Zweck des Forschungsprojekts war es, konkrete Lösungsansätze für eine nachhaltige Klärung dieser Problematik zu unterbreiten.

Zu diesem Zweck wurde nicht nur die geltende und aufgrund der neuen Verbraucherkreditrichtlinie bevorstehende Rechtslage, sondern auch die Kreditvergabepraxis, analysiert. Letztere wurde anhand von Interviews mit Expert:innen aus Antidiskriminierungsberatungsstellen, Verbraucherzentralen, Kreditinstitute und Kreditvermittlung, sowie Umfragen mit Kreditinstituten und Verbraucherzentralen und Antidiskriminierungsberatungsstellen erhoben. Nicht zuletzt wurden die Ergebnisse des Forschungsprojektes in einem Abschlussworkshop mit den Vertreter:innen von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der Wissenschaft, der Kreditinstitute, der zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbraucherzentralen, des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht diskutiert.

Die wichtigsten Erkenntnisse des Projektes im Überblick:

  • Das Alter der kreditbeantragenden Person spielt bei der Kreditvergabepraxis eine benachteiligende Rolle.
  • Aufgrund der zunehmenden Filialschließungen ist vor allem für ältere Kreditnehmer:innen der Zugang zu Beratung erschwert. Dies kann dazu führen, dass der Zugang zu Finanzierungsoptionen erschwert ist, aber auch dazu, dass Anpassungsbedarfe bei laufenden Krediten nicht rechtzeitig und adäquat angegangen werden.
  • Es wird angenommen, dass mit fortschreitendem Alter die Rückzahlungswahrscheinlichkeit geringer wird. Gründe hierfür sind beispielsweise das verringerte Einkommen im Rentenalter, das erhöhte Sterberisiko und das erhöhte Risiko der Pflegebedürftigkeit. Reaktionen darauf sind teilweise Altersgrenzen und der notwendige Abschluss einer Restschuldversicherung. Zur altersbedingten Benachteiligung führen die Restschuldversicherungen dann, wenn sie ab einem bestimmten Alter gar nicht mehr verkauft werden, diese aber für einen Teil der Anbieter:innen eine Voraussetzung für eine Kreditvergabe bei älteren Menschen darstellt.
  • Aufgrund der zunehmenden Standardisierung, die durch die Digitalisierung und Regulierung sowie durch die Vermittlung der Kredite durch Dritte gefördert wird, werden Kreditanträge von älteren Personen zum Teil ohne eine ergänzend durchgeführte individuelle Prüfung abgelehnt. Beispielsweise findet eine Berücksichtigung etwaiger freiwilliger Einkommensquellen auch im Rentenalter bei einer standardisierten Kreditvergabe nicht statt.
  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gewährt keinen umfassenden Schutz vor altersbedingten Benachteiligungen bei den Verbraucherkrediten, da man nicht alle Kreditverträge als Massengeschäft oder massengeschäftsähnliches Schuldverhältnis i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. (1) AGG einordnen kann. Diese Rechtsunsicherheit spiegelt sich in der Beratungspraxis wider. Es bedarf einer gesetzlichen Änderung bzw. Anpassung, um altersbedingte Benachteiligung bei der Kreditvergabe unterbinden zu können.
  • Es besteht eine große Beratungslücke bei den (altersbedingten) Benachteiligungen bei der Kreditvergabe. Die Berater:innen der Verbraucherzentralen kennen sich mit der Anwendbarkeit des §§ 19 ff. AGG im Allgemeinen und vor allem auf Darlehensverträge im Besonderen nicht aus. Zudem kennen sich die Berater:innen der Antidiskriminierungsberatungsstellen mit den Einzelheiten der Kreditvergabepraxis in der Regel nicht genug aus, um zwischen einer sachlich gerechtfertigten Prüfung und (altersbedingter) Benachteiligung unterscheiden zu können.

Unsere Empfehlungen:

  • Verankerung des Schutzes vor altersbedingter Benachteiligung bei den Verbraucherkrediten: Das kann durch entweder (i) eine ausdrückliche Regelung im AGG bezüglich der Kreditverträge, oder (ii) durch eine allgemeine, umfassende Regelung zum Benachteiligungsverbot in zivilrechtlichen Verhältnissen, die auch Schutz vor Benachteiligungen bei den Kreditverträgen gewährt, erfolgen.
  • Festlegung von Grundsätzen und Leitlinien zur Verwendung statistischer Werte für Kreditwürdigkeitsprüfung sowohl für Konsumenten- als auch bei Immobilienkrediten: Dadurch würde Grundsätze und Leitlinien für die Einzelfallprüfungen, ob die Benachteiligung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, zur Verfügung gestellt. Die Verabschiedung der neuen Verbraucherkreditrichtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Recht bietet dazu den geeigneten Anlass.
  • Anpassung regulatorischer Vorgaben zur Besicherung des Kredits: Die Zugangsprobleme für ältere Menschen aufgrund Restschuldversicherungen werden durch die neue Verbraucherkreditrichtlinie nicht vollkommen ausgeräumt. Hier könnte wiederum eine regulatorische Vorgabe zweckmäßiger sein, die den Kreditinstituten mehr Ermessensspielraum im Hinblick darauf einräumt, durch welche alternativen Sicherheiten bzw. Versicherungen die Kreditvergabe besichert werden kann.
  • Aufbau von Kompetenzen zur Schließung der Beratungslücke: Es fehlt an einer Fachstelle, die die Verschränkung von Benachteiligungsaspekten und Finanzdienstleistungs- bzw. Finanzaspekten beleuchten kann.